Baukräne – das wahre Zinsbarometer

Als das Studium noch etwas mit Studieren zu tun hatte, und Studenten kein sinnloses Bachelor-Dasein fristeten, lernte man im ersten Semester Volkswirtschaftslehre, dass niedrige Zinsen die Konjunktur ankurbeln. Die logische Kausalkette dahinter:

Bei niedrigen Zinsen lohnt sich das Sparen weniger, also lieber shoppen, was wiederum die Wirtschaft ankurbelt. Andererseits bekommt man bei niedrigen Zinsen einen Kredit fast geschenkt. Die einen leisten sich eine neue Küche auf Pump, Firmen investieren mit dem geliehenen Geld (auch, um Steuern zu sparen), und wieder andere lassen das Hausdach neu decken. Oder – im großen Stil – machen aus einem Speicher im eigenen Mietshaus chice – und teure – Eigentumswohnungen. Auch das kurbelt alles die Konjunktur an.

So gesehen geht es der Wirtschaft derzeit prächtig, auch wenn alle immer jammern. Denn allein ein zehnminütiger Fußmarsch durch die Straßen im Glockenbach-Viertel führt an mindestens fünf oder sechs Baukränen vorüber.

Es wird gedeckt, renoviert, ausgebaut und verschönert, was das Zeug hält. Kein Wunder, denn aktuell erhält man einen Baukredit mit zehn Jahren Laufzeit für etwas mehr als ein Prozent Zinsen im Jahr. Wann investieren, wenn nicht jetzt?

Und damit gilt die alte VWL-Weisheit aus dem Erstsemester immer noch: Je niedriger die Zinsen, desto höher die Baukräne.