Vor ein paar Jahren mussten am Thomas-Wimmer-Ring schon etliche stattliche Bäume weichen, um Platz zu schaffen für einen unterirdischen Großparkplatz. Damals waren die Aufregung der Anwohner und das kritische Medienecho groß. Aber vermutlich nur deshalb, weil gleich eine Hand voll der Riesen auf einmal gefällt wurden. Das fällt auf und verändert das Stadtbild.
Dass seit einiger Zeit entlang der Maximilianstraße die Kreissägen wüten, scheint kaum jemand aufzufallen – geschweige denn zu stören. Unmerklich, aber sukzessive verliert die Prachtstraße, deren begleitende Bäume teilweise mehr als 100 Jahre alt sind, ihr grünes Gesicht.

Vermutlich sind einige sogar froh darüber. Denn auf ihre Autos, die sie tagsüber dort parken, während sie arbeiten – etwa in der naheliegenden Regierung von Oberbayern –, könnten herunterfallende Äste und Blätter ja Kratzer und Flecken geben.

In den vergangenen Monaten fielen wieder drei Riesen dem Kahlschlag zum Opfer – es werden nicht die letzten sein. Doch die Stadt München hat dafür auch eine Begründung. In der Rathaus Umschau vom 6. September heißt es:
„In der Maximilianstraße müssen aufgrund von Pilzbefall und einer Bakterienkrankheit acht Bäume aus Verkehrssicherungsgründen gefällt werden. Betroffen sind Rote Kastanien im Bereich zwischen Thierschstraße und Thomas-Wimmer-Ring. Die Baumkronen sind überwiegend abgestorben.“
Verkehrssicherheit als „schlagendes“ Argument
Bereits Ende des vergangenen Jahres informierte die Stadt, dass in der Maximilianstraße in Kürze zwei Bäume gefällt werden müssten. Betroffen sei eine Kastanie, die „zunehmend an Vitalität verloren hat“, sowie eine Linde, deren Krone bereits abgestorben sei.
Aber dafür werden – so beteuert die Stadt – in Kürze neue Bäume gepflanzt, sie sagt aber nicht, wo und wie alt diese „Ersatzbäume“ sind. Zwar ist die Bilanz auf öffentlichem Grund seit Jahren positiv. Anfang des Jahres meldete das Rathaus, im Jahr 2020 seien 70 Bäume mehr gepflanzt als gefällt worden – in Parks und Grünanlagen, auf Friedhöfen und entlang von Straßen.
Allerdings brauchen neu gepflanzte Bäume etwa 80 bis 100 Jahre, bis sie das gleiche Volumen und damit auch die gleiche CO2-Bindung erreichen, wie die gefällten Bäume, bemängelt das Münchner Klimaschutzreferat und fordert, dass München stärker begrünt werden soll.

München zur Hälfte versiegelt
Auch wenn die Stadt bemüht ist, gefällte Bäume durch neue zu ersetzen – auf Privatgrund sieht die Lage anders aus: In den vergangenen zehn Jahren hat München 20.000 Bäume verloren, denn Baurecht schlägt Baumschutz. Tatsächlich ist München die am stärksten versiegelte Stadt Deutschlands. 44 Prozent des Stadtgebiets sind mit Straßen oder Gebäuden vollgestopft.
Und das ist nur der Flächenverbrauch oberirdisch. Die zunehmende Bebauung im Untergrund, etwa durch Tiefgaragen und Versorgungsinfrastruktur wie Abwasser, IT-Kabel oder Fernheizung, macht es immer schwieriger, dass sich wirklich wieder stolze Bäume entwickeln können.
Denn in der Regel muss man von einem Kronen-Wurzel-Verhältnis von 1:1 ausgehen. Wenn also unten kein Platz zum Wurzeln ist, wird es auch oben nicht hoch hinaus gehen.